Der Lischka Prozess
Zum 40. Jahrestag der Pogromnacht demonstrieren die FFDJF vor dem Haus, in dem Lischka wohnt. In der Bildmitte Serge Klarsfeld, links neben ihm Annette Zaidman.
Quelle: https://klarsfeld-ffdjf.org/leurs-manifestations-en-120-photos/
Die Gruppe rund um Serge und Beate Klarsfeld gründete sich im 1978 im Vorfeld des Lischka-Prozesses. Es handelt sich um einen eingetragenen Verein, der das Anliegen und die Interessen der Shoah-Überlebenden aus Frankreich vertritt. Zuvor war die Gruppe unter dem Namen „Militants de la Mémoire“ aktiv, zusammen mit jüdischen Überlebenden, die nach der Befreiung von Auschwitz nach Frankreich zurück gekehrt waren und jungen jüdischen Aktvist*innen der LICA (Ligue internationale Contre l’Antisémitisme). „Militant“ wird im französischen Sprachkontext nicht zwangsläufig mit gewaltsamen Aktionen assoziiert, sondern bedeutet vor allem, sich konsequent und mit einem hohen persönlichen Einsatz für das Erinnern an die Shoah einzusetzen, indem die Verantwortlichen öffentlich gemacht und möglichst mit Mitteln der Strafjustiz zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Bezeichnung F.F.D J.F lenkt den Blick stärker auf die eigene Familiengeschichte. Die Umbennung ist Ausdruck eines wachsenden Bewusstseins bei denjenigen Jüdinnen und Juden, deren Eltern deportiert wurden, die aber selbst die Deportationen überlebt haben, viele als sogenannte „enfants cachés“ (versteckte Kinder). Auch Menschen, die sich bislang nicht mit ihrer schmerzhaften Familiengeschichte beschäftigt haben, schließen sich der Gruppe an. Der Kampf um Anerkennung umfasst nun neben der Anklage der Tätergesellschaft und dem Ruf nach Entschädigung auch die Auseinandersetzung mit dem Verlust von Familienangehörigen und der eigenen Vulnerabilität.
Die Kurzbiographien zeigen, wie durch die Gruppenzugehörigkeit und das politische Engagement die nationalsozialistische Gewalterfahrung verarbeitet werden konnte. Alle Portraitierten haben sich zusammen mit dem Ehepaar Klarsfeld in den 1970er Jahren für die Beendigung der Straflosigkeit von ehemaligen NS-Tätern engagiert. In zum Teil spektakulären Aktionen brachten sie den Schmerz des Überlebens zum Ausdruck. Während die älteren Mitglieder der Organisation aus den Lagern der Nationalsozialisten zurückgekehrt waren und nun in ihrer ehemaligen KZ-Kleidung protestierten, hatten viele der Jüngeren – meist unter falscher Identität – im Versteck in Frankreich überlebt. Alle Aktivist*innen hatten in irgendeiner Form den Antisemitismus und die Brutalität des NS-Regimes am eigenen Leibe erfahren. Viele hatten nahe Familienangehörige in der Shoah verloren, häufig sogar die ganze Familie. In der Begegnung mit Menschen, die Ähnliches erlebt hatten, verbanden sie sich erneut mit ihrer jüdischen Herkunft. Diese Gruppe trug bei zur Heilung von Verletzungen und stärkte die eigene Identität. Bedeutsam war es vor allem, die Familiengeschichten und Biographien zu rekonstruieren und Belege für das Handeln der Täter zu finden. Ziel des politischen Engagements war zum einen die Forderung, die ehemals verantwortlichen SS-Funktionäre zur Rechenschaft zu ziehen und zum anderen eine Entschädigung für diejenigen zu erwirken, die unter der deutschen Besatzung gelitten und ihre Angehörigen verloren hatten.
„Wenn man als Jude angegriffen wird, muss man sich als Jude verteidigen.“
Hannah Arendt im Interview mit Günter Gaus, 1964