Der Lischka Prozess

 

Elie Kagan

Elie Kagan wurde als Sohn einer polnisch-jüdischen Mutter und eines russisch-jüdischen Vaters am 26. März 1928 in Paris geboren und starb am 25. Januar 1999 im Alter von siebzig Jahren, ebenfalls in Paris. 1942 entkam er der Razzia des „Véldrome d`Hiver“. Nach der Befreiung – er war 1944 16 Jahre alt – entwickelte er einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Er arbeitete als Pressefotograf und dokumentierte zahlreiche politische Auseinandersetzungen. Die Fotografie war für ihn ein Mittel des Protests und des politischen Ausdrucks. Er konzentrierte sich auf die Darstellung von Ungerechtigkeiten und Missständen. Er hielt auch das einfache Leben auf der Straße fotografisch fest, zeigte mit seiner engagierten Sozialfotografie insbesondere den Alltag von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen. 

Am 17. Oktober 1961 dokumentierte er das „Massaker von Paris“ fotografisch. Durch seine Involviertheit in das Geschehen, gelangen ihm Fotografien wie kaum einem anderen Pressefotografen. Er fühlte sich verbunden mit den algerischen Immigrant*innen, die sich gegen ihre geplanten Abschiebungen und den gewaltsamen Kolonialkrieg in Algerien zur Wehr setzten. Die Demonstration endete mit einem Massaker der französischen Polizei. Einer der Hauptverantwortlichen für die Eskalation war der Pariser Polizeipräsident Maurice Papon, ein ehemaliger Beamter des Vichy-Regimes. Zu diesem Zeitpunkt war kaum bekannt, dass Papon während des Zweiten Weltkrieges für die Deportation der Jüdinnen und Juden aus Bordeaux verantwortlich war. Später beschrieb Kagan, dass die Ereignisse des 17. Oktober 1961 für ihn persönlich den Beginn markierten, sich sehr zögerlich und mit Schmerzen an seine Kindheit zu erinnern. Seitdem wuchs sein politisches Engagement, und er dokumentierte als Fotograf auch die Studentenbewgung und den Generalstreik in Paris im Mai 1968. 

Nach der Gründung der F.F.D.J.F. schloss sich Kagan der Organisation an. Aktionen gegen ehemalige NS-Täter hatte er bereits in den 1970er Jahren als Fotograf dokumentiert und war auch bei den Protesten während des Lischka-Prozesses in Köln 1979/80 dabei. Half die Fotografie Elie Kagan, seine eigenen schmerzhaften Erfahrungen während des Shoah zu verarbeiten? Kagan sagte einmal über sich selbst, er sei ein „engagierter Reporter, dritte Welt bezogen, im Herzen links und gerne provokant“. Sein Leben zeugt von einem großen Bedürfnis nach Unabhängigkeit, eventuell auch eine Gegenbewegung zu der als Kind früh erlebten Verfolgung und Unterdrückung.  

Vielleicht wollte Elie Kagan durch seine Solidarität mit anderen unterdrückten Gruppen auch eine Verbindung zu seiner eigenen, biographischen Erfahrung als jüdisches Kind in Paris unter deutscher Besatzung herstellen. Er nutzte seine Fotografie, um Unrecht und Unterdrückung ebenso ins Bild zu setzen wie Kämpfe um Anerkennung und Emanzipation. Fotografie als Medium der Sichtbarmachung war für ihn ein Mittel, um der gesellschaftlichen Ausblendung und dem kollektive Vergessen engegenzuwirken. In jedem Fall hat der französische Fotograf und Aktivist Elie Kagan mit seiner dokumentarischen Kunst immer wieder berührt, bewegt, und die Öffentlichkeit zum Nachdenken angeregt. Elie Kagan verstarb am 25. Januar 1999 in Paris. 

Verfasst von Lara Maria Garcia Büchner/Anne Klein


Literatur:

https://klarsfeld-ffdjf.org/wp-content/uploads/Vallat-05.jpg

https://www.visapourlimage.com/en/festival/exhibitions/la-collection-elie-kagan-au-musee-d-histoire-contemporaine-bdic-paris

https://de.wikipedia.org/wiki/Élie_Kagan

https://www.independent.co.uk/arts-entertainment/obituary-elie-kagan-1071155.html