Der Lischka Prozess

 

Anton Söllner

„Es waren viele Familien im Lager.“

Anton Söllner

Anton Söllner war während der NS-Zeit als SS-Scharführer, später SS-Oberscharführer, zunächst in derZentralstelle für jüdische Auswanderung in Prag tätig, von wo aus er nach Berlin versetzt wurde. Im Herbst 1942 wurde er dann unter dem Kommando Alois Brunners, dem er bereits in Prag unterstellt gewesen war, nach Frankreich geschickt. Nach einem kurzen Aufenthalt im Süden des Landes arbeitet er in Paris, wo er als Aufseher in das Lager Drancy kam und dort bis zu dessen Räumung verblieb.

Am 3. Mai 1954 verurteilte ein französisches Gericht Söllner in Abwesenheit zum Tode. Das Urteil wurde jedoch nie vollstreckt.

Zum Zeitpunkt des „Lischka-Prozesses“ war Anton Söllner bereits Rentner und lebte in München. Er sollte in seiner Vernehmung hauptsächlich die Zustände in Drancy und den Ablauf der Transporte schildern. Er hatte schon im Rahmen der Voruntersuchungen darüber „umfängliche Aussagen“ gemacht, auf die sich der Vorsitzende Richter immer wieder berief. In der Verhandlung stellte er sich jedoch weitestgehend alsunwissend dar. Lediglich über die Hierarchie seiner Vorgesetzten wie z. B. Helmut Knochen, SS-Standartenführer und Befehlshaber der Sipo-SD in Paris und Heinz Röthke, den Leiter des Judenreferats derGestapo in Frankreich, machte er verwertbare Aussagen. Sich selbst bezeichnete er als zur „Stammmannschaft in Drancy“ gehörig, war aber sehr darauf bedacht, seine Position dort als niedrig und unbedeutend darzustellen. Die Weisungen seien von der Stadt gekommen und er habe sie nur ausgeführt und für „Ruhe im Lager“ gesorgt. Etwas Ordnungswidriges habe er dabei nicht beobachten können. Auch Kinder wollte er auf den Transporten nicht gesehen haben.

Der Nebenkläger Serge Klarsfeld verließ bei der Vernehmung Söllners demonstrativ den Gerichtssaal. Damit drückte er seinen Protest aus, dass ein in Frankreich zum Tode verurteilter Mörder als Zeuge in einer Verhandlung auftreten und das Gericht unbehelligt wieder verlassen konnte.

„Über das ,was sich mir aufdrängte, habe ich mit niemandem gesprochen. Es war Feigheit oder ein Ausweichen. Man wollte ja nicht bestätigt haben, was man befürchtete.“

Anton Söllner